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Darms - Antike Uhren |
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Haus der antiken
Zeit |
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Die unbestechliche Sanduhr
Der Besitz einer eigenen Taschenuhr galt in jenen Tagen gar nicht als selbstverständlich, so dass Loewe seinen Stolz durchaus besingen durfte. Trotz der ansehnlichen Dimension und des Gewichtes dieses Zeitnehmers konnte er zufrieden sein, denn jenes berühmte "Nürnberger Ei", das der Schlossermeister Peter Henlein um 1550 anfertigte, wog noch bedeutend schwerer als Loewes Uhr. Dieses unförmige "Ei" galt in den Augen der damaligen Leute als richtige Sensation, denn im 16. Jahrhundert kannte man neben Turmuhren nur Räderuhren mit Gewichten, die oft aus Hartholz gefertigt waren und nur einen einzigen Zeiger besassen. Das waren noch jene altmodischen Modelle, die mit ihrem gemütlichen Tick-Tack und trotz der Ungenauigkeit der Zeit den Leuten bereits viel Freude und Stolz vermittelten. Etwas später entstanden auch andere Uhren, die Standuhren für die "besseren" Kreise, die bereits damals technische Wunderwerke waren, mit Glockenschlag, Kalenderanzeige, Mondphase, Sekundenzeiger und diverses mehr. Auch heute stehen solche Uhren hoch im Kurs - nicht nur als Prestigeobjekt, sondern als Schmuck und Ausdruck einer gehobenen Wohnkultur, so wie man kostbare Bilder alter Meister schätzt und um sich versammelt.
Das
Bedürfnis, die Zeit zu konkretisieren und einzuteilen, ist beinahe
so alt wie die früheren Kulturen dieser Erde. Die ersten Versuche
befassten sich mit astronomischen Beobachtungen, die bereits Zeitprobleme
in sich schlossen. Obelisken wurden als riesige Sonnenuhren eingesetzt,
und auch in den rätischen Regionen findet man vielerorts jene rätselhaften
Schalensteine und Steinsetzungen, welche einer Urbevölkerung als Kalender
und Zeitmesser gedient haben mögen. Daneben hat der Mensch sich schon
früh mit dem Phänomen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
auseinandergesetzt und über den Begriff "Zeit" Fragen gestellt. Dabei
standen keine technischen Überlegungen wie die Herstellung eines Zeitmessers
im Vordergrund, sondern es waren Philosophen die zur Einsicht gelangten,
die Zeit bilde die grundlegende Dimension unseres Daseins. Sie realisierten,
wie die Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft "fliege". Bis in unsere
Gegenwart staunt der Mensch über diesen "Flug" - eine Empfindung,
wie sie auch in manchen Standuhren auf dem Zifferblatt eingraviert ist
- "tempus fugit".
Weit in die Vergangenheit reicht die Geschichte der Zeit und des Bemühens, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen. Begonnen haben die Überlegungen mit der Beobachtung des Sonnengangs von Osten nach Westen, der nicht nur die Tageszeiten anzeigte, sondern auch die Jahreszeiten bestimmte.
Beim Folgen des Schattens auf seiner Wanderung vom Morgen zum Abend gelang es, die Sonnenuhr zu schaffen, den ersten Zeitmesser im Dienste der Menschheit. Der römische Kaiser Augustus, der 15 Jahre vor Christus die rätischen Alpen unterwerfen liess, hatte wenige Jahre zuvor in Rom einen 30 Meter hohen Obelisken aus Ägypten aufstellen lassen, der als riesige Sonnenuhr mit einer Skala von 200 Metern Durchmesser diente.
Über lange Zeiten hatte die Sonnenuhr in vielen Formen und Ausführungen den Leuten die Zeit angesagt, und sie tut es immer noch. An zahllosen Häusern und Türmen, alten und neuen zeigt sie in ihrer stummen Sprache die Stunde und schweigt nur nachts und bei bedecktem Himmel. Um diesem Hindernis auszuweichen, erfand man die Wasseruhr (gleiches Prinzip wie die Sanduhr), die bereits wesentlich komplizierter, jedoch vom Himmelslicht unabhängig war. Diese wurde besonders in Ägypten, Mesopotamien und China verwendet.
Die Entwicklung
ging weiter. Als problemlos erwies sich die Sanduhr, die im 15. Jahrhundert
in Gebrauch kam und die sich ebenfalls bis in die heutige Zeit behauptet
hat. Kirchgänger haben oft die Einrichtung an manchen Kanzeln betrachtet,
welche den Prediger nach "angemessener" Zeit mahnten, nun mit seiner Rede
anzuhalten - freilich nicht immer mit Erfolg!
Auch
diese praktische Einrichtung ist den Weg aller Wege gegangen und hat schliesslich
der Quarz-Armbanduhr Platz gemacht und spielt heute lediglich noch in den
Saunen und als Eieruhr noch eine Rolle. Diese Uhr, die ohne Sonnenschein
und Federaufzug läuft, wurde von Dichter Christian Morgenstern auf
einem Kalenderblatt gebührend verewigt. "Siehe eine Sanduhr: da lässt
sich nichts durch Rütteln und Schütteln erreichen, du musst geduldig
warten bis der Sand, Körnlein um Körnlein aus einem Trichter
in den anderen gelaufen ist".
Diese Weisheit,
durch die "Unbestechliche Sanduhr" demonstriert, möchte vielerorts
mit diesem einfachen Gerät in Erinnerung gerufen werden.
Zu bestimmte Zeiten läutete eine Turmglocke, damit jedermann - auch derjenige, der sich keine eigene Uhr leisten konnte - wusste, dass es Zeit war für die Frühmesse oder fürs Mittagessen.
Irgendwann im zu Ende gehenden Mittelalter entstanden die ersten Turmuhren, zuerst ganz einfache, dann immer komplizierte mit melodiösem Glockenschlag und in den wohlhabenden Städten mit beweglichen Figuren bereichert, was dem Volk (und heute den Touristen) sehr imponierte. Bald gab es keinen Turm mehr ohne Turmuhr - Reste dieser mittelalterlichen Turmuhr-Kultur entdeckt man oft auch in entlegenen Alpentälern, und deren Bewohner sind mit Recht stolz auf dieses Erbe
Obgleich in vielen Stuben bereits Uhren mit Gewichtantrieb hingen oder standen, meist mit einfachen Dekorationen bemalt, setzte sich die Entwicklung der Uhr fort: Um sich vom gemeinen Volke zu unterscheiden, wurde den gehobeneren Kreisen kostbare Uhren angeboten, die zu ihrer Lebenshaltung passten. Kleine und grosse Uhren aus edlem Metall, Tischuhren und Pendulen, Standuhren, die oft aus England oder Frankreich kamen. Zum Inbegriff einer prestigeträchtigen Uhr wurde die sogenannte Bodenstanduhr, die in vornehmen Wohnungen und Schlössern anzutreffen war.
Die
grosse Zeit dieser Standuhr waren die Jahre zwischen 1750 und 1800, als
technisch immer ausgereiftere Stücke die Werkstätten verfliessen.
Die Gehäuse bestanden aus tropischen Hölzern, aus Eiche oder
Nussbaum, und die Uhrwerke verbesserten sich in verschiedenen Phasen zu
komplizierten Machwerken mit Stunden-, ja sogar Viertelstundenschlag auf
verschiedenen Glocken oder Gongfedern, und oft wurden ganze Melodien eingebaut.
Die Zifferblätter bestanden aus Messing, Silber oder waren aufwendig
bemalt, und grosse Sorgfalt wurde auch für die Zeiger verwendet. Von
1700 bis Ende des 19. Jahrhunderts folgten die Gehäuse dem gängigen
Kunst- und Wohnstil, bis hin zum Jugendstil. Bereits vor der Jahrhundertwende
gab es Werke, die der Präzisionszeitmessung dienten, mit Schwerkrafthemmung
und Kompensationspendel, wobei die Antriebsgewichte bis zu 30 Kilogramm
wogen.
Die Kultur der prachtvollen Uhren aus den vergangenen Jahrhunderten beeindruckt heute immer mehr Leute, und wer sich ein solch schönes Objekt anschafft, erwirbt nicht nur eine Uhr oder ein Möbel, sondern etwas Lebendiges, das mit seinem individuellen Ticken und Schlagen die Wohnung bereichert und eine intime Atmosphäre verbreitet, wie es kaum ein anderer Gegenstand erreicht. Eine solch "lebendige" Uhr ist fähig, die Unrast der Zeit zu verbannen und neue Kraft für die Bewältigung des Alltags zu vermitteln. Diese Unrast der Zeit, die den modernen Menschen so viel zu schaffen macht, ist nicht zuletzt von der Uhr begleitet, die mit ihrer Präzision oft zu einem unausweichlichen Diktat wird.
Elektronische
und sogar Atomuhren haben die Zeitmessung bis zu einer Präzision gebracht,
die bald nicht mehr überboten werden kann. Das Erwerbsleben wird immer
mehr von Hast bestimmt, so dass der moderne Mensch nach einem Ausgleich
sucht, den er freilich nicht nur in den Ferientagen, sondern auch in den
eigenen vier Wänden finden muss. Und was hilft ihm dabei besser, als
das behagliche Tick-Tack einer antiken Uhr, die einen in die "gute alte
Zeit" zurückversetzt, welche dem Begriff "Zeit" weniger Bedeutung
beimass.
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